Der Seitensprung – Geschlechterdrama oder Chance für die Beziehung?
Laut Umfragen und Studien gehen rund fünfzig Prozent aller liierten Männer in Deutschland fremd, und auch ein beträchtlicher Anteil der Frauen kann der Versuchung eines Seitensprungs gelegentlich nicht widerstehen. Volker Panzer empfing in seiner Diskussionsrunde zum Thema „Liebe, Sex und Seitensprung – Ist Treue von gestern?“ vier Persönlichkeiten, die sich beruflich mit dem Stellenwert von Treue in der heutigen Gesellschaft auseinandersetzen. Im ZDF-Nachtstudio ging Volker Panzer gemeinsam mit seinen Gästen der Frage nach, wie Paare mit Seitensprüngen umgehen sollten.
Hier das entsprechende Video:
Inhaltsverzeichnis
Befürworter der Polygamie
Franz Josef Wetz, Philosoph, Dozent und Autor des Buches „Lob der Untreue: Eine Unverschämtheit“ weist darauf hin, dass Beziehungen im Laufe der Jahrzehnte unter erheblichem Verlust der Sexualität leiden. Als Konsequenz fordert der Philosoph, dass die Gesellschaft offener wird für Polygamie und Seitensprünge, die es Menschen ermöglichen, aus dem Beziehungsalltag auszubrechen und ihr Bedürfnis nach sexueller Nähe auch anderweitig zu stillen. Wie er es formuliert, werden Paarbeziehungen nach vielen Jahren aus erotischer Sicht von „Schmetterlingen zu Raupen“. Vor allem Menschen mittleren Alters, die durch die Mobilität des Internets inspiriert werden, sollte daher die Freiheit zugestanden werden, gewisse Geheimnisse vor dem Partner pflegen und das erotische Prickeln auch außerhalb der Lebensbeziehung erfahren zu dürfen. Ein Seitensprung ist für den Philosophen kein Symptom einer gescheiterten Partnerschaft, sondern ein biologisch erklärbares Verhalten des Menschen. Wetz fordert deshalb klar eine moralische Entlastung und Entdramatisierung des Seitensprungs durch die Gesellschaft, um Beziehungen von „Lügen und Halbwahrheiten“ zu befreien. Mia Ming, Autorin der beiden Bücher „Seitensprünge“ und „Seitensprünge 2“ stellte sich in vielen Fragen auf die Seite von Wetz, verwies aber auch auf grundlegende Unterschiede zwischen Männern und Frauen und deren Handhabung und Auffassung von Seitensprüngen und heimlichen Affären.
Psychologie eines Seitensprungs
Der auf Paarbeziehungen spezialisierte Psychotherapeut Wolfgang Krüger hingegen sprach sich entschieden gegen die von Wetz geforderte Entdramatisierung von Eifersucht und Fremdgehen aus. Er sieht einen einmaligen Seitensprung jedoch durchaus als eine Chance, eine unglückliche oder in einer Krise befindliche Beziehung zu retten. Dauerhaftes Fremdgehen sieht der Psychotherapeut hingegen als problematischen Lebensentwurf und Symptom tieferer Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus oder eines geschädigten Selbstwertgefühls. Sein Ansatz der Pathologisierung des Fremdgehens wurde von Wetz heftig kritisiert.
Sex in der Partnerschaft – Gegenstand gemeinsamer Arbeit
Magdalena Bogner, Theologin, Lehrerin und Vizepräsidentin im Komitee der deutschen Katholiken, sprach sich vehement gegen das Bedürfnis aus, auch in einer sexuell frustrierenden Langzeitbeziehung nach erotischen Abenteuern mit anderen Partnern Ausschau zu halten. Sie sieht die unerschütterliche Zweisamkeit, das „Ich und Du“ auch in erotischer Hinsicht als Kern und zentrale Aufgabe einer Partnerschaft. Ihrer Meinung nach sind Menschen fähig, Triebe wie Hunger und Schlaf zu zähmen und sollten daher auch sexuelles Verlangen unterdrücken. Sie wies auch auf das steigende Bedürfnis nach Treue und Zweisamkeit hin, das sie in der Generation ihrer Schüler beobachtet. Wolfgang Krüger erklärte dies damit, dass sich die Einstellung der Gesellschaft zu Fremdgehen und sexueller Liberalisierung in Wellenbewegungen verändert. Die globale Verunsicherung mache Treue und den Wunsch nach einer monogamen Beziehung wieder zu einem stärkeren Trend.
Im Rahmen der Diskussion wurde deutlich, wie viele unterschiedliche Auffassungen zum Thema Treue und Fremdgehen existieren. Die Gäste waren sich jedoch in einem einig: Fremdgehen sollte nie dazu führen, einen Menschen zu kränken. Um dies zu vermeiden, sollte der eine oder andere bedeutungslose Seitensprung daher besser verschwiegen werden. Mia Mings Ansatz, ein One-Night-Stand oder sexueller „Ausrutscher“ sei wesentlich harmloser als eine auf intensiver Kommunikation basierende Begegnung zwischen zwei Menschen außerhalb einer Beziehung konnten alle Teilnehmer der Diskussionsrunde befürworten.
Bildquelle: ZDF Nachtstudio zdf.de/nachtstudio/nachtstudio-5990282.html